LOGO_31
Ansprache (Herr Baumann)

Ansprache
bei der Gedenkstunde für Heinrich Gutbrod

(Johannes Baumann)
 

Liebe Frau Gutbrod,
liebe Familie Gutbrod,
liebe Ehemalige KI‘ler
verehrte Freunde

41 Jahre, von 1932 bis 1973 hat Herr Gutbrod zunächst als Lehrer, dann als Schul- und Internatsleiter am KI gewirkt. So wie Ziegler und KI einmal eine Einheit waren, so hat Herr Gutbrod das Gymnasium Wilhelmsdorf und die Inernate, Burg, Palas, auch das Zinze, geprägt und verkörpert.

Das heutige Gymnasium – auch wenn es die Internate, ein Teil des Lebenswerkes von Herrn Gutbrod, nicht mehr gibt – und die Realschule verdanken Herrn Gutbrod sehr viel. Er war es, dem es Ende der 60er-Jahre gelang, nachdem am Gymnasium bereits ein Realschulzweig geführt wurde, eine eigene Realschule in Wilhelmsdorf anzusiedeln. Und auch der Auf- und Ausbau zum Vollgymnasium in Wilhelmsdorf trägt seine Handschrift.

Aus der schulischen Arbeit heraus hat Herr Gutbrod, wie wir gehört haben, seine zahlreichen Ämter und Verpflichtungen in der Ortschaft, der Gemeinde, der Brüdergemeinde und den Zieglerschen Anstalten und im Evangelischen Schulbund wahrgenommen, die ihn weit über das KI hinaus zu einer prägenden und auch einflussreichen und immer wieder Einfluss nehmenden Persönlichkeit gemacht haben. Wir neigen alle dazu, Herrn Gutbrods Wirken von der Seite, die wir erlebt haben, wahrzunehmen und übersehen dabei, mit welcher Präsenz – und das ist ein schier unglaubliches Phänomen – er in den verschiedensten Tätigkeitsfeldern aktiv war.

In seinen 41 Dienstjahren hatte Herr Gutbrod es mit unterschiedlichen Generationen von Schülerinnen und Schülern zu tun. Die Fragestellungen, Sorgen und Herausforderungen der ersten Nachkriegsjahre waren völlig andere als etwa Ende der 60er-Jahre und Anfang der 70er-Jahre.
Für mich persönlich sind zwei Zugänge zu Herrn Gutbrod von nachhaltiger Bedeutung, auf die ich kurz eingehen möchte.

Als Nach-Nach-Folger im Amt haben sich im Laufe der Jahre zahlreiche Kontakte zu ehemaligen Schülerinnen und Schülern ergeben aus der Ära Gutbrod. Es ist bis heute beeindruckend zu erleben, in welch hohem Maße sie ihrem alten Chef Verehrung entgegen bringen. Nach und nach erschließt sich das Geheimnis dieser Verehrung etwas. Dass Herr Gutbrod als Schul- und Internatsleiter sein Leben mit den Schülern geteilt hat, spielt hier eine große Rolle. Vom Wecken bis zum Ins-Bett-gehen lebte er mit den Schülern zusammen; die Wohnung war nicht abgeschlossen. Er hatte darüber hinaus einen Blick für die einzelnen Schüler, ein Gespür für ihr Ergehen. Er wusste, wann einer härter heranzunehmen war und wann mehr Freiheit zu gewähren war. Auch wenn er als Chef die Regeln verkörpern musste. Eine ehemalige Schülerin hat es in einem Brief, der uns gestern erreichte, so ausgedrückt: „Ich empfand seine Art des Umgangs stets als warmherzig und irgendwie ‚frech‘, das mochte ich sehr. Er war ein Lehrer-Urgestein, ein eigensinniger Charakterkopf und ich habe ihn als klugen und liebenswerten Menschen kennen gelernt.“
Das ist höchstes Lob für einen Chef.
Die meisten von Herrn Gutbrods Schülern sind inzwischen auch mehr oder weniger betagte Leute. Es war beeindruckend zu sehen, wie sie bei Ehemaligentreffen nicht nur den Zusammenhalt untereinander pflegten, sondern immer wieder den Chef in die Mitte stellten. Auf gewisse Art ist er immer der Chef geblieben, wurde aber als väterlicher Freund erlebt. Aus vielen Ehemaligen wurden Freunde, die sich duzten; ich habe noch im vergangenen Schuljahr im Rektorat eine solche Begegnung erlebt.
Dass es auch den anderen Zugang zu Herrn Gutbrod für mich gegeben hat, dafür bin ich besonders dankbar: Die persönlichen Begegnungen, wenn er – freilich in den letzten Jahren mit größer werdenden Intervallen – in die Schule kam. Die Geburtstagsbesuche. Begegnungen im Gottesdienst
Die Achtung gegenüber dem viel Jüngeren, der jetzt Verantwortung für sein ehemaliges Lebenswerk trägt. Nie irgendeine Kritik, nie ein Hineinreden, auch kein Anflug davon. Aber Interesse! Aufmunterung! Verständnis! Wohlwollende Begleitung!
Dazu gehört auch, dass Herr Gutbrod nie seine Weichenstellungen, sozusagen seine politischen und pädagogischen Erfolge oder Konzepte zur Sprache gebracht hat. Aber er hat von den Menschen, Schülern und Mitarbeitern erzählt. Von Erlebnissen, Begegnungen und Erfahrungen. Die Menschen, die Schülerinnen und Schüler waren für ihn entscheidend, sie waren für ihn offensichtlich das Faszinierende. Ihnen galt seine Sorge, sein Nachdenken, seine Phantasie. Den je einzelnen, dem, mit dem er es gerade zu tun hatte.
Das war auch für mich eine bereichernde Erfahrung. Und wenn Sie mich heute fragen, was vom Lebenswerk Herrn Gutbrods weiterlebt, dann sind es ja nicht die Internate – schmerzlich vor einigen Jahren, dass wir sie schließen mussten –, sondern dann ist es genau das: den einzelnen – egal, ob Mitarbeiter oder Schüler – wahrzunehmen. In seiner ganzen Würde. Ihm alle erdenkliche Sorge und Phantasie zukommen zu lassen. In diesem Sinne bin ich gerne Nach-Nach-Folger von Herrn Gutbrod, wohl wissend, dass das Maß, das er vorgelegt hat, ein sehr hohes ist. In diesem Sinne hoffe ich, dass das Gymnasium Wilhelmsdorf bis heute seine
Schule ist und es auch in Zukunft bleibt.

So lange es ihm möglich war, hat Herr Gutbrod Jahr für Jahr in seinem Ruhestand die Schulanfangs- gottesdienste besucht und damit nicht nur seine Verbundenheit zum Ausdruck gebracht. Es war mehr. Hier zeigte sich, dass für ihn Schule, Arbeit, Beruf und gelebter Glaube eine Einheit sein sollten. Hier – und jeden Sonntag – stellte er sich selbst unter das Wort. Und bei aller Weite und Offenherzigkeit, die ihm als gutem Pädagogen zu eigen waren, zeigt sich hier schön, dass es darauf ankommt, alles, was wir tun, vor Gott zu tun.
Es fällt uns nicht schwer, Herrn Gutbrod, der Lehrer war, ohne belehren zu wollen, in Erinnerung zu behalten. Was er begonnen hat, wirkt fort, nicht nur hier in Wilhelmsdorf, sondern auch überall da, wo seine Ehemaligen heute leben.

Herr Abteilungsdirektor Gugel und auch sein soeben in den Ruhestand getretener Vorgänger, Herr Fecker, haben mich gebeten, Ihnen, Frau Gutbrod, und der ganzen Familie die Grüße und die Anteilnahme des Oberschulamtes Tübingen auszusprechen.

Persönlich und als Vertreter des Gymnasiums Wilhelmsdorf wünsche ich Ihnen, liebe Frau Gutbrod, und der ganzen Familie, den Schmerz des Verlustes zu ertragen und auch über ihn hinwegzukommen.

Uns allen wünsche ich, dass dankbare und getröstete Erinnerung uns erfüllt.